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Motorradcorso zum Altenberger Dom

Seit 1183 hält die Heilige Mutter Jungfrau ihre schützende Hand über den Altenberger Dom. Nicht ganz so lange fahren wir Motorrad, und seien wir ehrlich: so manches mal gab es Situationen, in denen uns jemand beigestanden hat, der seine schützende Hand über uns gehalten hat. Sei es der LKW, der ohne Blinker den Fahrstreifen wechselt, sei es die Fahrertür, die geöffnet wird, ohne dass in den Rückspiegel geschaut wird. 

Aber nicht alle haben dieses Glück. Motorradfahren ist eine gefährliche Sache, und selbst wenn man selber so gut auf sich aufpasst, wie es nur geht – vor Fehlern von Anderen ist man nie gefeit. 

Denen, die in diesem Jahr dann kein Glück hatten, wenn sie es gebraucht hätte, gedenkt die “Aktion Blauer Punkt” der evangelischen Kirche wie in jedem Jahr mit einem Gedenkgottesdienst am Altenberger Dom. 

Und dahin fährt man – klar, mit dem Moped. Vom Kölner Norden in einem Corso bis ins Bergische Land.

Und damit denen, die auf dieser Wallfahrt fahren, nichts passiert haben wir uns aufgemacht, zusammen mit knapp 100 anderen Ordnern der Chapter Germany I und V, der RedKnights, des Bundesverbands Deutscher Motorradfahrer, den Bikern in der Bundespolizei, Maltesern, Johanniter und vielen, vielen freiwilligen Helfern eingefunden, um die Strecke für etwa 750 Teilnehmer zu sichern. 


Jeder schützt sich vor dem Regen mit dem, was er hat

Die Anreise bereits – durchnässt. Versprach es an unserer Burg noch trocken zu bleiben, strafen die Schicksalsgöttinnen die Motorradfahrer, die die Autobahn statt der Landstraße nehmen: Sobald unsere 14 Sicherungsposten auf die A3 aufgefahren waren, öffneten sich die Himmel und es regnete – und regnete und regnete und regnete bis nach Köln Mülheim, wo wir uns auf dem Parkplatz einer großen Einzelhandelskette einfanden. Auf dem Parkplatz stehen und darauf warten, dass der Regen endet und der Corso beginnt – es gibt keine bessere Gelegenheit zur Öffentlichkeitsarbeit, und so gab es mehr als ein Gespräch mit den Kunden, in denen Vorurteile abgebaut worden sind: Rockmusik hören, Motorrad fahren und Kutte tragen reicht halt noch nicht, um als “Rocker” zu gelten. 

Die Streckensicherung selbst – soweit es meinen Bereich betraf: entspannt. Der Corso findet Samstags statt, denn Sonntags gehört die Kirche der Gemeinde, in der sie steht, und natürlich ist nicht jeder begeistert, wenn er am Samstag morgen nicht dorthin kommt, wo er mit seinem Auto fahren will. Deshalb ist der Corso in vier Abschnitte aufgeteilt, um die Straße nicht allzu lange zu blockieren. Motorradfahren heisst, Rücksicht nehmen und auf die Rücksicht der anderen Verkehrsteilnehmer angewiesen zu sein. Davon kann unser Leben abhängen. Wenn man den anderen Verkehrsteilnehmern diese Idee nahe bringt und den Corso zur Gelegenheit nimmt, in ein Gespräch über das “Wir” im Straßenverkehr zu treten, dann ist das “Ich” meistens gar nicht mehr so wichtig und so manches Gespräch kann länger dauern, als es braucht, den Corso durchzulassen. Ich jedenfalls habe an diesem Tag nur positive Gespräche geführt und hoffe, dass es den Brüdern und Schwestern auch der anderen Helfer genauso gegangen ist. 

Wenn ein kalter, nasser Tag mit einer zünftigen Bratwurst endet, kann er so schlecht nicht gewesen sein.
Und über all die Schlemmerei wollen wir nicht vergessen, wozu wir hier sind.

Als die Peterwagen mit der letzten Welle durchgefahren waren, hieß es, schnell auf den Bock zu schwingen und sich dem zweirädrigem Lindwurm anzuschließen. So wuchs der Corso mit jeder Kreuzung, die er passiert hat, um diejenigen an, die ihm den Weg freigehalten haben, und das abgedroschene Wort vom “Weg, der das Ziel ist”, bekommt hier eine völlig neue Bedeutung: die Motorradwallfahrt zum Altenberger Dom ist in Köln und im Kölner Umland eine Institution, und es ist schon beeindruckend, wenn auf den Bürgersteigen alte und Junge, Kinder und Eltern und einfach alle, die in diesem Moment unserer verunglückten Kolleginnen und Kollegen gedenken oder einfach nur das Spektakel eines Motorradcorsos sehen wollen, zuwinken. Es ist ein ganz spirituelles Gefühl, ohne allzu pathetisch werden zu wollen, und am Ende genau das, was die Aktion “Blauer Punkt” erreichen will: wir sind eine Gemeinschaft. Die, die am Straßenrand stehen, die, die auf der Straße fahren und den Corso bilden, wir gedenken einander und danken uns gegenseitig dafür, dass wir in dieser Saison auf beiden Seiten Glück gehabt – und zum Ende der Saison Glück erfahren haben. 

Bilder vom Gottesdienst gibt es natürlich nicht, das gehört sich einfach nicht. Dafür muss ein Bild derer reichen, die dabei gewesen sind.

Und die, die in diesem Jahr nicht (mehr) mit uns fahren können, mögen auf uns schauen und sich ebenso freuen wie wir. Wir vermissen Euch, und den Platz, den Euer Gehen gerissen hat, wird niemand füllen können. Aber Ihr seid nicht vergessen – auch im nächsten Jahr wollen wir uns wieder aufmachen, um Euch zu gedenken – auf dass Ihr ewig lebet. Denn wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird (Immanuel Kant).

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