Es war an einem strahlend schönen Samstagmorgen, als sich die tapferen Ritter des Blue Knights auf ihrer Burg versammelten, bereit für eine epische Tour ins Unbekannte. Na ja, ganz unbekannt war es nicht; unter der furchtlosen Führung von DJ, unserem waghalsigen “Planer in Chief”, sollte es gen Niederrhein gehen. Die Frosttour im letzten Jahr rief sich in Erinnerung, nachdem ich auf der diesjährigen nicht teilnehmen konnte. Und doch war alles ein wenig anders. Kurz vor zehn brummten also unsere Motoren wie wilde Bestien, bereit, die Straßen zu erobern und die Welt auf zwei Rädern zu erkunden.
Zugegeben, mich begleitete deshalb ein wenig schlechtes Gewissen. Nach der Saison ist vor der Saison, und eigentlich wäre es vor der ersten Tour im Jahr für mich an der Zeit gewesen, das Ross aus dem Winterschlaf zu erwecken. Aber wie es halt so ist – man schiebt es auf, bis es nicht mehr aufgeschoben werden kann, und lässt sich dann vom Termindruck auf das Motorrad schieben. Die Vorbereitung beschränkte sich also auf einen kleinen Ölwechsel zum Saisonbeginn, kurze Kettenpflege und schauen, dass der Luftdruck stimmt. Für mehr war nicht Zeit, denn DJ, der Meister der Abenteuer und der König der Route, hatte sorgfältig jeden Schritt geplant, und wenn er schon an Stelle unseres eigentlichen Roadies plant, dann will man ihn nicht noch durch solche Nebensächlichkeiten wie eine intensive Durchsicht zum Saisonstart warten lassen.
Und wer braucht schon die Sicherheit, dass alles funktioniert, wie es soll, wenn man sich der wesentlichen Dinge – Bremsen, Füllstand im Tank – sicher ist und man sich auf die Freiheit der offenen Straßen in NRW ohnehin nicht wirklich verlassen kann?
Mit einem noch halb schlafenden Motorrad ruft es sich ohnehin “Auf ins Abenteuer!” noch freudiger, und außerdem besteht ja auch die Möglichkeit, dass es über diesen Ruf auch aufwacht. In diesem Sinne ließen wir die Stadt hinter uns und rasten Richtung Niederrhein, dem Ruf der Freiheit folgend.
Die Sonne lachte vom Himmel, als wir uns durch malerische Landschaften schlängelten, vorbei an Feldern, Wäldern und dem gelegentlichen neugierigen Blick der Kühe. Hinter der Autobahn, auf der wir noch einen versprengten Ritter einsammelten, öffnete sich der Rheinblick bei Wesel in Richtung Bislich. Atemberaubend – und das nicht nur, weil stets die Gefahr besteht vor lauter Staunen über lachende Kühe vom Motorrad zu fallen, bis die Kühe lachen!
Schon bald trafen wir an der Anlagestelle der Rheinfähre bei Bislich auf unsere Freunde von Germany 22. Das Schicksal hat es mit sich gebracht, dass sich für heute für einen kleinen Teil unsere Wege kreuzen sollten, und so war beschlossen, ein kleines Stück zusammen zu fahren. Ein großes Hallo, gefolgt von Geschichten über vergangene Heldentaten und waghalsige Abenteuer auf zwei Rädern. Die Stimmung war ausgelassen, die Vorfreude auf kommende Eskapaden spürbar.
Aber: wer das Schicksal herausfordert, den strafen die Götter, und so kam es, wie es kommen musste: irgendwo zwischen Wesel und Geldern hatte sich mein Kennzeichen losgerappelt und war an einer Tankstelle abgefallen. Gottseidank befand ich mich in Umgebung lieber Menschen, und es waren die lieben Menschen aus den 22ern, die es mir “retteten”. Aber was soll der kühne Ritter mit einem Motorrad ohne festes Kennzeichen? Werkzeug hat man nicht dabei, wenn man durch die Prärie reitet, jedenfalls braucht Lucky Luke keinen 10er-Schlüssel und einen Torxschrauber, um Jolly Jumper auf Trab zu bringen. Die ist allerdings auch nie im Winterschlaf gewesen und wird von Lucky regelmäßig gestriegelt, bevor die beiden losreiten. Der Mann hat es einfach raus, wie man mit seinem Material umgeht, und ich verfluche die Tage, an denen ich die Chance gehabt hätte, mich um das Ross zu kümmern – und in denen ich es nicht getan habe, weshalb ich nun, in einer Traube von Polizeibeamten und Menschen mit Festnahmerechten, ordnungswidrig durch die Gegend gondeln soll.
Doch wo Gefahr ist, da wächst auch das Rettende, sagt Hölderlin, und gottseidank hatte DJ einen Zwischenstop bei “Niederrhein Moto” in Geldern geplant, die hatten gerade Saisoneröffnung und waren so hilfsbereit, sich meines Fremdfabrikats anzunehmen und mir wieder eine nach außen deutlich sichtbare Nachricht anzubringen: Ja, auch ich bezahle Steuern und Versicherungsbeiträge für dieses Pferd auf zwei Rädern!
Doch die Party wäre nicht gewürdigt, würde sie auf die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft reduziert, die die Mitarbeiter bei “Niederrhein Moto” in die Rettung meines Kennzeichens verwendet haben: es war ein rauschendes Fest, mit guter Verpflegung für einen guten Zweck und einer bemerkenswerten Auswahl an Fahrzeugen – Ducati und BMW, das ist mal eine Brücke, die man schlagen kann, und diese auf den ersten Blick ungewöhnliche Mischung sorgt aber dafür, dass bei “Niederrhein Moto” für jeden was dabei ist. Und die vielen Gespräche, die wir mit den Mitarbeitern und den Gästen geführt haben, deuten darauf hin, dass sich hier jeder wieder findet. Ein wunderbarer Laden, und wenn ich mir noch einmal ein Motorrad kaufen würde, käme das Geschäft in die engere Wahl.
Zurück in der Legalität führt uns unser Weg weiter nach Siebenwaldt in den Niederlanden – eine beliebte Zwischenstation für uns, nicht nur, um uns in Holland Dingen einzudecken, die man eben in den niederen Landen kauft – solange es auf beiden Seiten der Grenze erlaubt ist, das zu kaufen.
Von dort aus trennten wir uns von den 22ern. Sie mussten weiter gen Osten, für uns hieß es “go west”, über sanfte Hügel und durch dichte Wälder durch das Erholungsgebiet “Maasduinen”, bis wir schließlich die Maas erreichten. Die Überquerung mit der Fähre war ein Höhepunkt – zumindest bis mir klar wurde, dass ich ein Eis vergessen hatte! Aber hey, man kann nicht alles haben.
Oder Doch? Kurz hinter der Fähre kehrten die anderen ein in einer Eisdiele, ich indes musste leider weiter und die anderen zurücklassen. Ein Eis an diesem warmen Tag wäre schön gewesen. Aber hey, man kann nicht alles haben. An einem Tag, der alles hatte: ein perfekter Tag, um die Saison mit einem Motorrad zu eröffnen. Und zwischenzeitlich ist sie auch durch und durch wach und bereit für neue Abenteuer auf dieser Seite.